Es liegt in der Natur des Menschen negative Einflussgrössen erst dann sehen zu wollen, wenn diese bereits mehrmals zugeschlagen haben. Folglich ist es völlig normal, dass die Nebeneffekte der Kreditkrise für die Realwirtschaft solange verdrängt werden, bis die Rezession in Konsum, Unternehmensergebnissen und Arbeitsmarkt ihre Manifestation findet.
Selbstverständlich geht man in Zeiten wie diesen konsequenterweise von einer weichen Landung der US-Wirtschaft aus. Strohfeuer der Hoffnung gehören zum Standard jedes abklingenden Wirtschaftwunders. Zudem soll der globale Konjunktursommer in den Augen der zweckoptimistischen Heerschar eine US-Rezession ziemlich unbeschadet wegstecken können.
Die Fed befolgt das Drehbuch des Marktes praktisch widerspruchslos. 125 Basispunkte in einem Monat zeugen von einer devoten Geldpolitik, die nicht mal ansatzweise bereit ist die Fehler der Ära Greenspan zu vermeiden. Entsprechend intensiv fällt die Eskomptierung weiterer Zinssenkungen aus.
Inflation kein Thema
Die Mixtur aus negativem Wachstumsmomentum und deflationären Kapitalgütern schliesst mittelfristig per se ein weiteres Zunehmen der Teuerungsraten aus. Nur der zur Zeit noch zwanghaft vorhandene Glauben an eine Entkoppelung der globalen Wirtschaft von den Vereinigten Staaten hält die letzten Inflationsängste noch am Leben.
Gleichzeitig sieht sich der Kapitalmarkt mit einer ungebremst zunehmenden Risikoaversion gegenüber bonitätsschwachen Kreditnehmern konfrontiert. Die marktbezogenen Kosten für Fremdkapital werden für Unternehmen mit gefährdeter Zahlungsfähigkeit hoch bleiben. Ausserdem ist eine weitere Zunahme der Zins-Spreads zwischen starken und schwachen Schuldnern sozusagen vorprogrammiert. Eine Umkehr der Geldmarktstabilisierung der letzten Wochen muss wohl ebenfalls ins Kalkül genommen werden.
Ich gehe zudem davon aus, dass mit MBIA & Co. weitere gewichtige Dominosteine demnächst durch Downgradings fallen werden. Da die Märkte weit davon entfernt sind eine derartige Neubewertung von Kreditrisiken einzukalkulieren, dürfte eine Bodenfindung in den Leitindices für den Februar kaum möglich sein.
Als einzige Alternative zu obigem Szenario sähe ich die Ankündigung einer Verstaatlichung obiger Schuldner. Dies dürfte aber vorderhand noch weit entfernt sein. Folglich ist anzunehmen, dass diese Tendenzen auf allen Ebenen der Kreditpyramide noch bis tief in den Frühling anhalten werden.
Eine wirklich nachhaltige Erholung der Verwerfungen wird meiner Meinung nach erst dann wahrscheinlich, wenn die Risikoprämien von Unternehmensanleihen im Verhältnis zu Treasuries substanziell zurück gehen.
[Graphik]
Bodenbildung nur Scheinmanöver
Der kommende Monat dürfte speziell in der ersten Hälfte geprägt sein von einer Rückkehr des Softlanding-Szenarios und der Abkehr vom Inflationsgespenst, was – isoliert betrachtet – grundsätzlich gut für die Finanzmärkte wäre.
Da jedoch trotz sinkender Leitzinsen an der Kreditfront kaum nachhaltige Entspannung zu erwarten ist, muss seitens Aktien, Dollar und zyklischen Rohstoffen mit nach wie vor ungünstigem Chancen/Risiko-Verhältnis gelebt werden. Ob diese Kursrückgänge jene des Januars übertreffen werden, hängt stark von der Dynamik ab, mit welcher das Vertrauen in die Versicherer von Kreditrisiken verloren geht.
Trotz der kurzfristig überkauften Marktsituation würde ich am ehesten meinen, dass der kommende Monat ähnliche Verlaufsmuster aufweisen dürfte wie der Januar. Allerdings dürfte die zur Zeit geldpolitisch getriebene Zinskurve durch die rückläufigen Inflationserwartungen demnächst einiges flacher werden.
Am plausibelsten scheint mir für den kommenden Monat eine Beibehaltung der pessimistischen Grundhaltung hinsichtlich Leitindices und zyklischen Rohstoffen. Ob es im Gold ähnlich aufwärts gehen wird wie im Januar wage ich zu bezweifeln, da im Dollar vorderhand kaum weiteres Abwärtspotenzial vorhanden ist.